Kommentare 9

Analog vs Digital – haptische Glücksmomente

Wenn ich gut 20 Jahre zurück denke, dann kann ich mich noch gut daran erinnern, wie ich das erste mal auf einer Schreibmaschine tippen durfte. Meine Mutter hat sie immer sorgsam verwahrt und aus einem schwarzen Koffer geholt. Ein neues Farbband wurde eingelegt, ein Blatt eingespannt und geschaut, dass dieses gerade eingelegt war. Klack, Klack, Klack. Der Druck auf Tasten lässt kleine mechanische Hebel, die vorher Kontakt mit dem Farbband hatten auf das weiße Blatt prasseln. Diese hinterlassen Buchstaben. Nur eine Schriftart ist wählbar und TippEX ist mein neuer Begleiter. Noch heute, wenn ich für meine Mutter neue Patronen für Ihren Drucker besorge sagt sie: „Das Farbband ist schon wieder leer.“ Ich lächele und denke… gute alte Zeit.
Gerade schreibe ich diesen Text allerdings in der S-Bahn auf meinem MacBook. 2 Frauen in meiner Nähe lesen ein Buch andere schlafen, hören Musik oder schauen müde aus dem Fenster.
Ich mag diese leichte Tastatur, die, egal wo ich den Buchstaben treffe eine Spur auf meinem Bildschirm hinterlässt. Tastenanschläge werden zu elektrischen Impulsen und Signalen, die sich wieder auf meinem Bildschirm darstellen. Schon verrückt, wie das alles funktioniert.
Vor 2 Tagen habe ich auf Heise.de gelesen, dass der NSA Untersuchungsausschuss überlegt hat, Kommunikation auf Schreibmaschinen niederzuschreiben, damit es abhörsicher ist. Kurz darauf kam dann ein Artikel, dass die Sowjets wissen, wie man aufgrund der Anschläge die Nachricht entschlüsseln kann. Spionage aus einer Zeit, wo James Bond noch ein britischer Gentleman war.
Es gibt aber auch wieder eine Bewegung zurück. Laut klackende Tasten, haptische Glücksmomente auf Tastaturen die sich anders anfühlen, als ein Stück Plastik. Ich habe ernsthaft überlegt mir eine solche Tastatur anzuschaffen. Aber für unterwegs ist diese unpraktisch und auf der Arbeit würde ich meine Kollegen damit nerven.
Bei der Musik ist es genauso. Das Scatchen wurde nicht am Computer erfunden. Ein Typ, der schnell die Musik anhalten wollte, weil sie seiner Mutter zu laut war, hielt die Platte mit der Hand an und freute sich über dieses außergewöhnliche Geräusch. Der Scratch war geboren und alles andere ist Geschichte. Wenn man die DJ Kultur verfolgt haben irgendwann CDs und seit einigen Jahren MP3s im professionellen Bereich Einzug gehalten. Software wie Abelton Live, VirtualDJ und Serato bilden den Standard. Was früher 2x Technics MK II Plattenspieler waren ist nun eine Box, die Faderbewegungen in Strom übersetzt und sie auf Parameter wie Lautstärke, virtuelle Filter und Abspielgeschwindigkeit anwendet.
Es gibt aber doch noch einen kleinen Kreis von DJs die ausschließlich mit Platten auflegen. Ich habe das auch mal versucht und weiß, dass es eine ganz andere Herausforderung ist.
Hier gibt es auch wieder die hybriden, die versuchen ein analoges Feeling auf digitale DJ Controller zu bringen. Ich mag diesen Kompromiss sehr gerne und irgendwann werde ich mir so einen zulegen.
Wann habt Ihr das letzte Mal eine Schallplatte in der Hand gehabt oder diese mit der Hand angehalten?
Mein Fazit zu diesem Thema ist, dass ich einen Kompromiss finden möchte. Das beste aus beiden Welten. Ich möchte nicht verzichten auf meinen Notizblock mit Kugelschreiber aber auch nicht auf meinen digitalen DJ Controler.
An DIY Portalen wie Dawada kann man sehen, wie groß die Sehnsucht nach analogem und selbstgemachtem ist. Ich finde es wichtig, dass man sich bewusst macht, woher etwas kommt und ob man mit dem analogen Produkt nicht viel besser bedient ist. Es kann meist nicht so schnell ausfallen, ist billiger in der Anschaffung und langlebiger. Meist ist dieses Produkt allerdings auch etwas langsamer oder nicht so flexibel.

Gibt es Produkte in eurem Leben, bei denen Ihr bewusst die Entscheidung in die eine oder andere Richtung getroffen habt? Was sind eure haptischen Glücksmomente?

9 Kommentare

  1. Martin

    Moin, Moin!
    Ein Ding von dem ich mich nicht trennen werde, auch wenn ich sehr oft dafür belächelt werde ist mein Taschenkalender! So ein richtig gebundener, mit Papierseiten, mit Lesebändchen, Adressbüchlein, Jahresübersicht, Wochenübersicht… Allein dieses schön gearbeitete Büchlein in der Hand zu halten, darin zu blättern, erzeugt ein kleines Glücksgefühl! Da kann kein elektrisches Gerät mithalten 🙂

    Beste Grüße aus dem Norden der Republik

  2. Hallo!
    Ich habe einen kleinen Filofax als Taschenkalender und nur ein Handy mit SMS und Telefonfunktion. Es besitzt sogar noch Tasten 🙂 und war eine bewusste Entscheidung in Zeiten von Smartphones und ständigen WhatsApp Nachrichten.
    Füller und Tinte sind momentan mein liebstes Schreibgerät. Nichts geht über schöne handgeschriebene Notizen.
    Meine neue alte Kodak Retinette ist viel schöner in der Haptik als eine olle Digicam. Ich freue mich auch schon drauf mit den schönsten Bildern ein Album zu bestücken.
    Auch wenn viele Künstler, die ich kenne, mittlerweile zu Grafictablets greifen, bleibe ich bei Pinsel und Stift. Allein die Strukturen auf dem Papier zu sehen und nicht genau zu wissen wie sich die Aquarellfarbe verhalten wird, ist es wert.
    Ich bin aber auch jemand, der viel anTechnik verweigert oder nicht einsieht sie zu kaufen nur weil es gerade neu und inovativ ist. Ich würde die Funktionen eh nicht ganz ausnutzen können. So steht auch immer noch ein Röhrenfernseher in meinem Wohnzimmer und Bluerayplayer gibt es erst wenn mein DVD Player hinüber ist.

  3. Ein Freund sagte mal, wenn er in Jamaica ankommt ist er jedes Mal energetisch zu. Wenn er sich dann mit der Machete zu seiner Berghütte freigeschlagen hat, ist er innerlich angekommen. Und wie gut es den Leuten hier gut tun würde, wenn sie ihre Hecken wieder von Hand schneiden würden. Die Bewegung mit den Armen würde sie energetisch öffnen. Mein Nachbar sagte gestern als ich im Garten arbeitete, „ich muss ihnen einfach zusehen, so meditativ wie sie das machen.“ War es auch.

    Ich würde nie ein Schleifgerät benutzen oder sonstige laute Geräte. Ich arbeite sehr gerne mit den Händen. Mich stört schon der Pinsel in der Hand. Technik hab ich rausgeschmissen aus meinem Leben. Soweit es ging. Ich will damit keine Zeit verbringen. Elektrische Zahnbürste fand ich ganz schrecklich. Kaffee auf Knopfdruck bin ich jetzt einfach gewöhnt. Wenn die Pads all sind, muss ich zur Bodum greifen. Das stört mich dann schon. Ich kenne 3 Leute, die auf Dampfkessel umgestellt haben und wieder zurück, Das passte doch nicht in den Alltag. Genauso wie Rasenmäher von Hand oder Solarofen für den Garten. Übertrieben finde ich, wenn man Wasser um 8 Kleinkinder zu baden, erst erwärmt für die Zinnwanne. Leute, wie lange wollt ihr denn diese schwere körperliche Arbeit machen und haben eure Kinder wirklich was davon? Muss ich mein Holz selbst hacken? Ich nicht.

  4. Bücher können niemals von ebooks ersetzt werden. Ich habe selbst einen Reader und lese auch gerne und viel darauf – aber es ist ein unvergleichliches Gefühl ein Buch in der Hand zu haben und darin zu blättern und das Eselsohr zu sehen, wo ich mir etwas besonders Wichtiges markiert habe.

    lg
    Maria

  5. Chris

    Vorweg ich liebe analoges Zeug. Gerade als Hobbyfotograf, juckt es mich immer in den Fingern, wenn ich mal ein altes analoges Schätzchen sehe.
    Praktisch ist das alles aber bei nüchterner Betrachtung nicht und auch der minimalistische Ansatz leidet, wenn man anfängt solchen Krempel redundant zu horten.
    Gleiches gilt für Schallplatten. Sie haben definitiv ihren Reiz und ich habe schon oft überlegt mir eine Plattenspieler anzuschaffen, allein wegen der Haptik der Geräte und der großen Platten. Aber auch hier wieder Redundanz ohne wirklichen Nutzen. So habe ich auch hier immer wieder der. Versuchung widerstanden.
    Analog ist für mich reine Liebhaberei. Es wir da viel schöngeredet und glorifiziert, aber unterm Strich ist digital einfach um Welten besser.
    Einen Notitzblock hatte ich noch nie. Auch keinen Taschenkalender. Wo sollte ich das Zeug auch lassen? Ich müsste ständig irgendeine Tasche mit mir herumschleppen. Das passt aber wieder nicht zu meinem minimalistischen Ansatz, so wenig Krempel wie möglich mit mir herum zu schleppen, wenn ich unterwegs bin. Geldbörse, Schlüssel, iPhone. Mehr nicht und man hat doch alles dabei, um auch Termine und Notizen festhalten zu können.
    Wer mehr schleppen mag, kann dies natürlich gerne tun. Der Nutzen erschließt sich mir dennoch nicht.

  6. Hallo Michael,

    ich wollte dich mal fragen: was hast du denn als letztes mit deinen Händen hergestellt? Ohne Computer und nicht für die Arbeit.

    So gern wie ich euch alle hab, aber ich könnte mir nicht vorstellen, euch gleich in einem Smartphone alle mit in den Park zu nehmen, wenn ich da mein Buch in Ruhe lese. Ich würde mich total auf standby fühlen und müsste ständig schauen, wie es auf den Blogs weitergeht. Ich mag eure Blogs, weiß aber gar nicht, wie man sich ein Smartphone antun kann und wozu das gut sein soll.

    Ich hab mir gestern das Gerupfe und Gezupfe unserer 3 Girls angesehen, an ihren Klamotten, ihre Körperhaltungen, als sie mal 5 Minuten nicht in so ein Ding reingeschaut haben. Im Zug macht man einfach die Augen zu oder schaut sich die Landschaft an. Also so kenne ich Zug fahren.

    So, ich muss in den Park und nehme euch nicht mit.

    LG, Tanja

    Füller liebe ich auch. <3 Hab auch einen.

    • Es gibt auch Leute, die können wunderbar das Smartphone aus der Hand legen. Oder mal ein paar Stunden im Flugzeugmodus lassen. (hervorragend zu bewundern bei einem Minimalismus-Treffen ;D)
      Egal ob digital oder analog, es kommt drauf an, es bewusst zu machen.

  7. Alex

    Die Schallplatte mein ewiger Begleiter…

    Beim Kumpel im Keller, ist die Schallplatte ein muss, wir bestellen zusammen ab und ein Album auf Vinyl, und die alten Platten von Dad und Opa drehen auch ihre Runden. Ich schätze an Platten einfach dieses kleine Stück Arbeit das man verrichten muss um Musik zu hören.
    Ein schönes Gefühl 🙂

  8. Schallplatten sind aber wieder im kommen und werden zunehmend mehr produziert und verkauft. Musikliebhaber sagen ganz klar, das die Musik über eine Schallplatte sich besser anhört.
    Was die Glückmomente bei mir anbelangt, die man selbst acht und für die man sich zeit nehmen muss ist das kochen. Da mach ich wirklich alles selbst und die Päckchen der industrie kommen mir nicht in den Topf!

Schreibe eine Antwort